Der Mann, der an seinem Geburtstag starb

Das ist gewiss kein Faun,

der da hockt auf dem Zaun.

Ich würd ihn niemals haun,

auch in Maßen vertraun,

ihn mir lange anschaun

diesen Sir Thomas Browne.

Auf einem Zaun hat er sicher nicht gehockt, aber vielleicht rittlings auf dem Fensterbrett gesessen. Da kann ich ihn mir gut vorstellen: Ein Bein im wintergeheizten Zimmer der Renaissance, das andere baumelt in die frühlingsgrüne Aufklärung hinein, die im Englischen so nett Erleuchtung heißt.

Eingemischt hat er sich in den Lauf der Zeiten nicht. Nach den jugendlichen Wanderjahren in den angesagten Universitäten Europas (Montpellier, Padua und Leiden) ließ er sich als Arzt in Norwich nieder und betrachte von dort das aufregende 17. Jahrhundert. Aber sein Leben will ich gar nicht erzählen, seine eigene Autobiografie fällt eher kurz aus:

…I was born in St Michael’s Cheap in London, went to school at Winchester College, then went to Oxford, spent some years in foreign parts, was admitted to be a Socius Honorarius of the College of Physicians in London, Knighted September, 1671, when the King Charles II, the Queen and Court came to Norwich. Writ Religio Medici in English, which was since translated into Latin, French, Italian, High and Low Dutch. Pseudodoxia Epidemica, or Enquiries into Common and Vulgar Errors translated into Dutch four or five years ago.

Hydriotaphia, or Urn Buriall.

Hortus Cyri, or de Quincunce.

Have some miscellaneous tracts which may be published…

Ausschnitte aus all diesen Werken finden sich in Selected Writings. Eine amerikanische Zusammenstellung, dessen Anno sich manchmal bemüßigt fühlt, die barocke Ausdrucksweise in den Fußnoten zu übersetzen.

Browne: … or any other eyes such as regarding the clouds behold them in shapes conformable to preapprehensions.

Anno: People see in clouds the shapes they wish to find.

Das sind Stellen, die ich mir selbst als Fremdsprachlerin entschlüsseln kann. Dankbarer bin ich für die Übersetungen der lateinischen Zitate. Gefährlicher aber als die lateinischen Einsprengsel sind die vermeintlich geläufigen Worte, die im Laufe der Jahrhunderte eine andere Bedeutung bekommen haben und da ist Anno wirklich eine große Hilfe. Danke, Anno.

Browne gehört zu den von mir geliebten Häppchenautoren, deren Werke sich in genügend kleine Einheiten gliedern, dass man auch kurz in sie hineinlesen kann, wenn der Brotberuf mal wieder zu wenig Zeit für die schönen Dinge des Daseins lässt. In den 90ern gab es ein Funkkolleg über die Literatur der Moderne. Da habe ich vom Kollegbegleiter geraten bekommen, Romane kapitelweise oder sonstigen Sinnabschnitten zu lesen. Den Rat beherzige ich bis heute. Da nehme ich also nur große Bissen und nebenbei nibbel ich an Lichtenberg etwa oder nun Browne herum.

Wie kam ich aber nun zu Browne? Na, weil die englische Welt seinen Barockstil preist und ich in völliger Selbstüberschätzung meinte, ich könnte das nachvollziehen. Dafür reicht aber meine englische Leseerfahrung nicht, auch wenn ich in 30 Jahren vor nichts zurückgeschreckt bin. Es ist nicht meine Muttersprache. Der falsche Ton, mir in deutschen Texten grell im Ohr schrillt, gleitet englisch meist unbemerkt an mir vorüber.

Zum Inhalt später mehr.

 

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